Wieder ein bissiger Gegner, wieder kein Sieg: Die Fußballer von Borussia Dortmund verlieren die Spitze der Bundesliga aus den Augen. Beim Tabellenletzten FC Ingolstadt produzierte der BVB ein spektakuläres, aber nur glückliches 3:3. Das dritte Spiel in Folge ohne Sieg. Was ist los beim BVB? Wir liefern Erklärungsversuche.
1. Die Verletzten: Marco Reus, André Schürrle, Sokratis, Raphael Guerreiro, Marcel Schmelzer, Sven Bender – die Ausfallliste ist natürlich ein Faktor. Allerdings: Auf dem Platz standen immer noch renommierte Bundesliga-Profis und hoch gehandelte Talente, die eine zum Teil desaströse ersten Halbzeit darboten. Fehlt dem BVB also eine Führungsfigur? „Diese Führungsspieler-Diskussion hatten wir doch 2009 und 2010 auch“, mäkelt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke im ZDF-Sportstudio: „Wir sind 2011 Meister geworden. Da hat keiner mehr gesagt wir hätten keine Führungsspieler.“
2. Die Jugend: Aufgrund der absurd hohen Verletzungsrate muss Tuchel mehr als ihm lieb ist auf Teenager setzen, die noch in der Entwicklung stecken. „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“, sagt Tuchel: „Es ist also normal, solche Phasen zu erleiden. Ich bin weit davon entfernt, der Mannschaft einen Vorwurf zu machen. In der Summe der Dinge, die wir derzeit von ihr verlangen, habe ich sogar Verständnis.“ Die Formschwankungen hat der BVB eingepreist. „Wir sind gerade dabei, eine neue Mannschaft aufzubauen“, sagt Watzke. Er schreibt die Meisterschaft für dieses Jahr ab, aber dann: „Ich prophezeie in ein, zwei Jahren werden wir eine ganz starke Mannschaft haben.“ Und: „Die Meistermannschaft von 2011 und 2012 hat auch zwei, drei Jahre gebraucht, sich zu entwickeln.“
3. Die Formkrisen: In der angespannten Personalsituation könnten sich arrivierte Spieler in den Vordergrund spielen. Das Problem aber ist: Dazu fehlt ihnen die Form. Beispiele dafür sind Shinji Kagawa und Sebastian Rode. Kagawa sucht nach der Leichtigkeit von einst, wirkt gehemmt. Kaum eine gute Aktion von ihm in Ingolstadt oder Lissabon. Rode enttäuschte zuletzt gegen Berlin und stellt keine verlässliche Größe dar. Kollege Julian Weigl: „Wir haben die Qualität im Kader, wir müssen aber schauen, dass jeder wieder in Topverfassung kommt.“
4. Die Standardsituationen: Zweimal Freistoß, zweimal geschlafen, zwei Gegentore: Die dumme Doublette (Tor zwei war eine Kopie von Tor eins) beschäftigte den BVB in Ingolstadt. „Nicht clever“ seien die Fouls gewesen, sagt Julian Weigl, was nur eine schönere Beschreibung für doof ist. Denn: „Wir wussten ja, dass Ingolstadt über lange Bälle und Standards zum Erfolg kommen wollte. Dass wir das nicht verteidigt bekommen, ist ärgerlich“, klagt Matthias Ginter. Immer wieder führen gegnerische Standards zu Gefahr. Eine Frage der Zuordnung oder der Konzentration? „Die Zuordnung ist immer klar“, sagt Ginter. Also: Kopfsache.
5. Die Einstellung: „Wir haben nicht so die Spannung gehabt, die es braucht, um ein Bundesligaspiel zu gewinnen.“ Sagt Matthias Ginter. „Wir waren nicht bissig genug.“ Sagt Julian Weigl. „Wir waren in der ersten Halbzeit definitiv in keinem Bereich des Spiels bereit, Bundesliga zu spielen.“ Sagt Tuchel. Besorgnis erregend. Schließlich ist Einstellung das, was jeder immer mitbringen kann und muss. Ein gravierender Mangel, der nicht zum ersten Mal zu Tage tritt und zumindest zu denken gibt. Schließlich zeigen Leipzig, Hoffenheim, Berlin und Köln gerade der Liga, was mit Einstellung zu machen ist. Watzke: „Es gibt eine Menge Mannschaften, die besser geworden sind.“
Dass das nicht die sind, die man erwartet hat, amüsiert den Geschäftsführer: „Die, die Dortmund jagen wollten, sind noch hinter uns.“ Er meint Leverkusen, Wolfsburg und Schalke und urteilt über die Tabelle: „Das ist nichts, was einen nervös machen müsste.“Der Chef glaubt, dass die Borussia wieder ausreichend Punkte holen wird, wenn die Stars erstmal zurück sind. Aber nur mit der richtigen Einstellung.